Indisches Himalaya

Auf der Royal Enfield über die höchsten Straßen und Pässe der Welt

Ich komme aus der Goldstadt am nördlichen Ende des Schwarzwalds, mein Name ist Roland Sachse, ich bin Kunstmaler, Fotograf, Abenteurer und seit 2014 auch Reiseveranstalter und Guide von www.EnfieldTours.de



Mein Interesse gilt schon lange dem west-östlichem Kulturaustausch und so führten mich nun schon viele Reisen nach Indien. Die mitunter langen Aufenthalte sorgten in meinem Leben immer wieder für erfrischende Wendungen und neue Impulse. Eines meiner vielen Indien Abenteuer war die Umrundung auf einer Royal Enfield. Der 14seitige schön bebilderte Reisebericht hierzu findet sich in der Maiausgabe 2015 von Motorrad&Reisen. Und auf genau dieser Reise entsteht die Idee, für andere Motorradbegeisterte die schönsten Abschnitte zu einer organisierten Tour zu bündeln.

So führt uns nun auch dieses Jahr die Route über eine der gefährlichsten und höchsten Straßen der Welt in Ladakh und durch Kaschmir, das noch letztes Jahr wegen schweren politischen Unruhen unpassierbar war. 17 Tage, 12 Teilnehmer, Guide, Mechaniker und Fahrer für Begleitfahrzeug. Premiere dieses Jahr: die „Himalayan“ von Royal Enfield, eine Enduro die es erst seit letztem Jahr gibt. So wird diese Tour also auch zum ultimativen Test für dieses neue Bike.

Im Flieger von Kuwait Air, Gebete in Arabisch vor dem Start. Beim Betreten der Toilette fiel die Tür aus ihren Scharnieren aber immerhin geht’s jetzt mit dem Segen Allahs in Richtung Himmel.
Der Augenblick der Wahrheit ist gekommen, jetzt zeigt sich ob der Körper dem Schock des Dauer-Dampfbades das man hier in Indien während der Monsunzeit hat, gewachsen ist. Um Mitternacht sammle ich meine Teilnehmer ein, kurze Begrüßung und ab geht`s mit dem Taxi ins Hotel. Die ersten Eindrücke, Menschen die draußen unter Brücken schlafen, Taxifahrer die während der Fahrt einschlafen und offensichtlich ein ganz anderes Verkehrssystem. Ich erkläre meinen etwas eingeschüchterten Teilnehmern, dass eine rote Ampel manchmal unter gewissen Umständen beachtet wird und, dass das grüne Licht nicht grundsätzlich freie Fahrt bedeutet. Verkehrszeichen spielen in Indien meist eine etwas untergeordnete Rolle. Und doch ist die Verkehrspolizei vielerorts mit Trillerpfeife und Schlagstock händeringend damit beschäftigt, Ordnung in das Chaos zu bekommen.

Am Morgen des ersten Tages gebe ich das erste wichtige Briefing. Da gibt’s schon ne Menge an möglichen Gefahrenquellen zu benennen, deren Liste sich von Jahr zu Jahr verlängert. Die Fahrweise in der Gruppe und das Verhalten in allen möglichen Situationen gilt es zu besprechen. Beim Blick in den buntgemischten Kreis von Abenteuerwilligen wurde mir klar das wird mal wieder ein Spagat zwischen Heizern, Materialfahrern, Offroadspezialisten und den gemütlichen Kultur,- und Genussfahrern. Ich selber würde mich eher zu den letzt Genannten rechnen. Beiden Lagern habe ich mit dieser einmaligen Tour etwas zu bieten.

Der erste Kontakt mit Land und Leuten, Besorgungen, der Empfang und das Auftanken der Bikes stehen auf dem Programm.

Am nächsten Morgen um 5 Uhr jagen uns die Straßenköter aus ihrem Revier in Delhi und es dauert nur eine halbe Stunde bis die ersten zwei Motorräder ausfallen. Die Lichtmaschinen (ganz häufige Kinderkrankheit bei den neuen Enduros) waren am A....Ende. Alles so sorgfältig geplant und nach gerade mal 30 Minuten der erste Ausfall. Aber Dank meines guten und verlässlichen Verleihers standen eine Stunde später zwei neue Motorräder am Straßenrand und es konnte weitergehen. Doch die nächste Überraschung lässt nicht lange auf sich warten. Knietiefes Wasser auf der Autobahn, die sich binnen Minuten in einen See verwandelt. Vorbeifahrende LKW's spritzen uns mit drei Meter hohen Fontänen an und der beste Regenkombi nützt nichts wenn man ihn nicht trägt. Das Fahren im Wasser ist gewöhnungsbedürftig macht aber im Grunde richtig Spaß, zumal das Wasser seichwarm ist. Bis zum Frühstück sind die meisten aber wieder mit der angenehm warmen Luft getrocknet.

Ein weiterer Zwischenfall mit einer Vergaserdüse, lässt die Aussicht schwinden noch bei Tageslicht unser Reiseziel Swargath zu erreichen. Aber rechtzeitig zum Sonnenuntergang kommen jetzt noch 20 km feinste Matsch Piste mit tiefen großen Pfützen und mein Kinderherz, das sich immer ganz viel davon gewünscht hat, wird endlich befriedigt. Gerade hier zeigt sich auch das Können der Fahrer als auch das der neuen Himalayans von Enfield. Ich fühle mich vom ersten Augenblick an sicher auf meinem Geländepferdchen, im Sitzen wie auch im Stehen.



Aber wie so oft am ersten Tag kommt dann noch Panne Nr.3 mit Elektrik Problemen, was meine Hoffnung begräbt, noch im Hellen an unser Tagesziel zu gelangen. Und es wird dunkel und bleibt auch dunkel als wir endlich in einer Fernfahrerabsteige ankommen, Stromausfall.

Um so geiler der Ausblick von der Terrasse am frühen Morgen. Sudlec River, einer der vier größten Ströme aus dem Himalaya sammelt sich hier in einer großen Seenlandschaft.
Wir folgen dem Fluss in Richtung Norden und dringen immer tiefer in die Bergwelt ein, mit uns unzählige LKW's. Die Umstellung von Rechts auf Linksverkehr bereitet niemandem Schwierigkeiten doch die bloße Anzahl an Verkehrsteilnehmern und die ständige Bedrängung durch Überholer, zehrt bei Jedem an den Nerven. Der durchschnittliche Inder darf ruhig als etwas phlegmatisch bezeichnet werden, gibt man ihm jedoch einen fahrbaren Untersatz, so öffnen sich sämtliche Energiedepots, die vor sich hin geschlummert haben. Dies verdeutlicht auch z.B. die Parkplatzsuche die 5m nach Beendigung des Überholvorgangs einsetzen kann. Ansonsten kann man das etwas anarchisch organisierte, sich selbst steuernde Verkehrssystem als gut funktionierend einstufen. Okay, bei Engpässen drängelt alles bis zur Engstelle aber an solch neuralgischen Punkten finden sich meist Ordnungshüter, die versuchen den Knoten etwas zu lockern. Hindernisse durch Überschwemmungen und Erdrutsche sind zu dieser Jahreszeit nicht selten in Nordindien. Hindernisse wie Hunde, Kühe, Büffel, Schaf,- und Ziegenherden, Affen und viele mehr, sind ganzjährig überall in Indien anzutreffen.

Und so auch konnte sich ein Straßenhund nicht für die richtige Fluchtrichtung entscheiden und landete unter dem Vorderrad von Teilnehmer Roland, der am selben Tag noch einmal in der Kurve ausrutscht, aber alles ohne Aua.

Die Menschen laufen meist auch auf den Straßen da die wenigen Gehwege die es gibt, von Klein,- und Großgewerbetreibenden belegt sind. Auf Autobahnen sollte man stets mit Gegenverkehr rechnen der wohl aus ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten wegen der kleinen Abkürzung, toleriert wird. Traktoren, Ochsenkarren, Rollstuhl- und Fahrradfahrer, querende Fußgänger und bereits erwähnte Tierwelt, alles „No Problem“ auf Indiens State Highways.

Der blind überholende Gegenverkehr, der mich vorne als Guide an der Spitze der Gruppe in Kurven auf meiner Spur immer wieder überrascht, sorgt für stetig frische Adrenalinzufuhr und ruft mir die stetig hohe Aufmerksamkeit wieder in Erinnerung, die hier geboten ist. Aus diesem und anderen Gründen habe ich mir angewöhnt einen Sicherheitspuffer von mindestens 20%, für eben solche Situation zu belassen und mit der Geschwindigkeit nicht ans Limit zu gehen.

Gelegentliches Murren in der Gruppe über zu langsames Fahren, verstummt meist recht schnell nach unerwartet tiefen Schlaglöchern, oder nach Rangkämpfen von Ochsen die sich gerade die öffentliche Straße als ihre persönliche Arena ausgesucht haben. In Richtung Manali fahren wir von der Hauptstraße ab, um über kleine Passstraßen in Berührung mit dem ländlichen Himalaya und deren Bevölkerung zu kommen. Es sind gerade diese kleinen Straßen, die kaum mehr Platz als für einen Bus bieten, die einem den Zauber dieser Gegend spüren lassen. Ein hoher Teil an offroadartigen Straßenverhältnissen versteht sich von selbst. Durch insgesamt drei harmlose Stürze und einen geklauten Zündschlüssel, erreichen wir auch heute unser Tagesziel erst nach Einbruch der Dunkelheit.



Ruhetag in Manali auf 2000m zur Höhenanpassung und Vorbeugung gegen die gefürchtete Höhenkrankheit. Ab hier bis Leh gilt aus diesem Grund auch -absolutes Alkoholverbot. Der guten Stimmung tut es keinen Abbruch, und die heißen Schwefelquellen und der Ausflug zum und hinter einen gigantischen Wasserfall sorgen für willkommene Abwechslung. Es ist doch immer wieder wichtig den Boden nicht nur mit zwei Reifen zu berühren, sondern mit Händen und Füßen um die stille Schönheit besser in sich aufzunehmen.



Um das erforderliche Permit für den Rotangpass zu bekommen brauche ich eine Sondergenehmigung vom obersten Chef der Verkehrsverwaltung Kullu, da der Pass am kommenden Tag wegen Bauarbeiten gesperrt ist. Mit viel Hoffen und Bangen gelingt es mir, meinen geplanten Reiseablauf nicht durcheinander zu bringen und bekomme die Genehmigung. Einziger Wermutstropfen, der Checkpoint muss bis 6 Uhr morgens passiert werden.

Aufbruch also morgens um 5 Uhr bei Regen. Einzige Hoffnung: Auf der Passhöhe befindet sich die Wetterscheide, welche die aus dem Süden aufsteigenden Monsunwolken am Weiterziehen hindert. So wendet sich das Wetter auch genauso schlagartig, wie die Landschaft von üppigem Grün nach karger Hochgebirgslandschaft. Die Fernsicht in dieser trockenen Luft ist atemberaubend und nun bekommen auch die Fotografen unter uns richtig gute Laune.



Die Nordseite am Rotangpass lässt auch den Offroadspezialisten das Herz höher schlagen. Matsch, Wasser, Schotter, Sand und Fels sind der Untergrund und keine Leitplanke stört den Blick in den Abgrund. Auf meiner Himalayan, die ja gerade für dieses Terrain gebaut wurde, fühle ich mich absolut sicher und komfortabel. Die relativ kurze Etappe nach Keylong bewältigen wir bis zum frühen Nachmittag und können zu Fuß noch einen schönen Ausflug zu einem kleinen buddhistischen Felsenkloster machen.

Wir befinden uns mittlerweile in einer Höhe von 3000m und werden am nächsten Tag den ersten der fünf Fünftausender Pässe in Angriff nehmen, um dann auf 4300m im Zeltlager von Sarchu zu übernachten. Diese Etappe ist zwar nur circa 120 km lang, aber hat es mit dem 4900 m hohen Baralachala und dem hohen Offroadanteil ganz schön in sich. Die Gegend nimmt immer mehr den Charakter einer Landschaft auf dem Mond oder Mars an und mit der Sonne im Rücken erreichen wir das Zeltlager auf 4300m in Sarchu. Erschöpft sinken alle in einem der vielen Zweimannzelte auf die Matratzen nieder und geben sich dem Höhenrauschen hin. Höhenrausch? Ja, so fühlt es sich wirklich an wenn man nur noch dünne Luft zum Atmen hat. Starke Kopfschmerzen machen sich breit, die ich mir aber nicht gefallen lasse und sie mit der chemischen Keule platt mache. Bis auf diese Kopfschmerzen gibt es keine Symptome in der Gruppe welche auf Höhenkrankheit hinweisen aber eine schlaflose Nacht bleibt wohl den meisten nicht erspart. Es bleibt jedoch erstaunlich mild und empfindliche Minustemperaturen bleiben in der Nacht aus.

Mittlerweile an die indische Küche gewöhnt, genießt man das gute Abendessen und Frühstück. So gestärkt macht sich der 15 Mann starke Trupp auf, zur höchsten und anstrengendsten Etappe. Zum Aufwachen gibt es morgens gleich eine ordentliche Wasserdurchfahrt, die alle leicht meistern . Die Sonne taucht hinter den Gebirgsriesen hervor und beleuchtet die Hochebene von Sarchu und es gilt heute gleich drei Fünftausender Pässe zu überqueren. Auch die ersten 90 km bis Pang sind recht anspruchsvoll was den „Straßenbelag“ anbelangt und so freuen sich doch die meisten auf den zweiten Teil der heutigen Strecke. Kaum zu glauben, aber die restlichen 150 km nach Leh über die Hochebene von Pang und den zweithöchsten Pass der Welt „Taglangla“, führen über fast tadellos asphaltierte Straßen. Alles wohlgemerkt auf einer Höhe von durchschnittlich 4500 m . Manche Maschinen streiken, stocken, stottern und geben einfach nichts mehr her. Höchste Zeit kleinere Düsen einzusetzen und bis die kleine Op. vorüber ist schlägt auch schon das Wetter um. Eine ordentliche Salve Hagelschrot lässt uns spüren was es heißt den Naturgewalten ausgeliefert zu sein.

So hält es uns auch nicht allzu lange auf dem Pass, der Wind bläst uns geradewegs wieder runter. Die Abfahrt hinab bis ins Industal nach Leh ist ein fahrerischer Hochgenuss. Fast nur Kurven, wenig Verkehr durch ständig wechselnde Landschaftsbilder, aus den Hochtälern nun durch tiefe Schluchten, in denen sich wiederum breite Flusstäler öffnen und den ersten kleinen Ansiedlungen Platz machen. Ladakh heißt übersetzt „Land der vielen Pässe“ und ist vorwiegend buddhistisch geprägt. Die Menschen und deren Kultur sind tibetischen Ursprungs doch im Verlauf der Jahrhunderte kam es immer wieder auch zur Vorherrschaft der Moslems aus Kaschmir.

Doch nach diesem grandiosen und einmaligen Fahrtag passiert mir, was einem Guide nie passieren sollte !
Inmitten des Verkehrschaos von Leh verliere ich meine Gruppe, die wegen eines Sturzes stehen bleibt. Zwar kenne ich mich mittlerweile ganz gut aus in Leh, aber meine Gruppe bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Weder Funk,- noch Handyverbindung funktioniert. Jetzt hilft uns nur noch Telepathie und ich fahre eine gefühlte Ewigkeit durch die ganze Stadt bis mich unser treuer Fahrer „Randeep Singh“ aus der Verkehrsmasse in unserer auffälligen Warnweste erspäht. Erleichterung macht sich breit als ich zu meinen Leuten zurückkomme, die im Dunkeln ausharren mussten. Das schöne von Gärten umgebene Guesthouse am Stadtrand und der nächste halbe Ruhetag sind eine kleine Entschädigung dafür.

Ausschlafen und Stadterkundung steht auf dem Vormittagsprogramm, jedoch nicht für mich. Ich kümmere mich um die erforderlichen Papiere, die für die Auffahrt zum Kardungla, dem höchsten motorisiert befahrbaren Pass der Welt, nötig sind. So können wir nun einigermaßen erholt von den gestrigen Strapazen mittags die Pferde satteln und den höchsten Punkt unserer Reise in Angriff nehmen. Doch Indien wäre nicht Indien wenn alles Planmäßig verlaufen würde. Wir haben noch nicht die ersten Serpentinen erreicht, als wir an einem der vielen Checkpoints angehalten werden. Mir kommt die Bikeunion in den Sinn, eine Vereinigung die keine Leihfahrzeuge aus anderen Bundesstaaten duldet und sich teilweise mit Gewalt und Zerstörungswut durchsetzen will um deren Profite mit eigenen Leihfahrzeugen zu verbessern. Eine rechtliche Grundlage für deren Gebaren gibt es allerdings nicht. Und so stehen sich 13 mannhafte Biker einer intelligent wirkenden Ladakhi und zwei Männern im Hintergrund gegenüber. Ich stelle mich dumm, weise unser Permit vor; es wird abgewiesen mit dem Hinweis auf unsere Nummernschilder. Das Gezeter geht einige Minuten hin und her.
Was es aber für die Stimmung in der Gruppe bedeutet, den höchsten Pass der Welt nicht zu befahren, wird mir nun eiskalt bewusst. So gebe ich kurz entschlossen das Zeichen zum Motorstart und im guten Gefühl der Überlegenheit geht’s los auf eine Höhe von 5400 m. Traumhafter Blick über Leh ins Industal, Serpentine um Serpentine schrauben wir uns bis zum letzten Drittel empor, wo der letzte Rest Asphalt verschwindet. Das ist jetzt schon recht sportlich, in dieser Höhe an haarsträubenden Steigungen in Offroadmanier mit richtig fiesen Hindernissen zu bestehen. Aber alle haben es geschafft ! yes we did ! trotz beträchtlichem Leistungsverlust der Motoren. Der Blick schweift rüber zu den Gebirgszügen des Karakorums deren eisige Sieben- und Achttausender am tiefblauen Horizont wie Diamanten funkeln. Bei der Abfahrt passiert dann aber genau das, was man auf solch einer Tour immer vermeiden will: ein schwerer Sturz im Gelände von Josh mit Verletzung, der es aber fertig bringt wieder aufzusitzen. Doch die nächsten 2 Tag verbringt er im Begleitfahrzeug.

Da das offizielle Alkoholverbot nun aufgehoben ist, wird der höchste Aufstieg der motorisiert möglich ist kräftig gefeiert. Mittlerweile hat man jeden in der Gruppe näher kennengelernt, und ich kann mich jedes Mal wieder daran erfreuen, wie sich so viele ganz eigene interessante Charaktere zu einem solchen Motorradabenteuer zusammen finden. Das Wertvollste auf einer solchen Reise, ist doch die Freude die ein jeder mitbringt. Die Kunst für mich als Reiseveranstalter von EnfieldTours, ist es dieser Freude trotz oft widriger Umstände stetig neue Nahrung zu geben.

Die nächsten zwei Etappen nach Kargil und Srinagar in Kashmir durch das Industal sind Motorradsahnestückchen vom feinsten: Die fast durchgehend geteerte Straße mit ihren unendlichen Kurven, durch mal enge kleine Schluchten an reißenden Flüssen vorbei und wieder über Pässe und Hochebenen, ist sehr angenehm zu fahren. Für Abwechslung sorgen die in tibetischer Bauweise errichteten Ansiedlungen und Klöster. Mittagessen gibt es heute im Kloster Lamayuro das sich genauso spektakulär darstellt wie die Auffahrt dorthin durch einen ehemaligen Hochgebirgssee.

Ich entdecke auf der Speisekarte „Mashed Potatoes“- Kartoffelbrei, und überzeuge noch drei weitere aus meiner Gruppe von meiner Wahl. Es war ohne zu übertreiben der beste Kartoffelbrei meines Lebens. Doch einer von uns hat Durchfall und immer wieder Probleme mit der Elektrik bei seiner Himalayan. Da muss im Enfield Werk von Chenai noch ordentlich nachgebessert werden, denn ansonsten hat mich die im Stil der ersten Enduros gehaltenen Himalayan, mit ihrem gut ausgewogenen Fahrwerk überzeugt. So kommen wir noch vor Sonnenuntergang in Kargil an. Die Bikes parken auf Marmor und die Zimmer sind erste Klasse, gemessen an indischem Standard. Einfach mal eine halbe Stunde auf die Matratze sinken und nichts tun, kann so eine Wohltat sein.

Der Kulturwechsel macht sich hier sehr bemerkbar, da Kargil an der Religions- und Landesgrenze vom buddhistischen Ladakh zum benachbarten islamischen Kashmir liegt. Es ist auch noch nicht lange her als hier im Winter 1999, pakistanische Einheiten über die Waffenstillstandslinien vorrückten und einen der vier pakistanisch indischen Kriege auslösten. Bis heute ist in dieser Region Indiens eine sehr hohe Militärpräsenz zu sehen. Es reiht sich ein Armeestützpunkt an den anderen und es ist genau diese Straße die wir fahren, deren Verteidigung 1999 gegen Pakistan oberstes Gebot hatte. Kashmir ist bis in die Gegenwart nicht zur Ruhe gekommen, so war die Passage über Srinagar 2016 wegen schweren politischen Unruhen mit vielen Toten und Verletzten nicht möglich.

Doch heil froh und guter Dinge, dass sich dieses Jahr die Situation wieder normalisiert hat, setzen wir unsere Reise fort. Die fast unberührte Landschaft durch die wir fahren dürfen ist von unvergleichlicher Schönheit. Bunte Häuser im Vordergrund schmücken die grandiose Berglandschaft im Hintergrund.

Wenn nur nicht Bruno in der Kurve etwas überzogen hätte....vielleicht war es auch Öl oder Sand, der Sturz war nicht aufzuhalten. Doch auch er sitzt wieder auf, aber zu Fuß geht’s ab jetzt nur noch schwer humpelnd.

Vor uns liegt der berühmt-berüchtigte Zojila Pass, an dem schon einige Reisebusse in den Abgrund gestürzt sind. Auf dem Weg dorthin sehen wir viele Nomaden und Viehhirten, die im Sommer hier oben in selbstgebauten Zelthütten leben. Es kommt zu keinem Kontakt, zu groß scheint der Unterschied der Lebensarten beider Seiten. Wasserfälle stürzen in die Tiefe und die Vegetation nimmt immer mehr zu, saftige Wiesen und vereinzelnd auch schon Bäume. Noch durch eine enge Schlucht wo sich der Verkehr sehr nahe kommt und es tut sich vor unseren Augen eine große Bühne auf, an deren äußerstem Rand sich die Straße in die Tiefe schlängelt. Die schlechte Straße mit ihrem Naturbelag und der steile Abgrund sind schon sehr respekteinflößend, ist aber für LKWs noch lange kein Grund mal auf gegenseitige Überholmanöver zu verzichten. Uns macht die Abfahrt vom Zojila höllisch Laune und ich versuche während der Fahrt ein paar Fotos zu schießen, ein paar davon gelingen. Die weitere Abfahrt nach Srinagar erinnerte mich an kleine Alpenstraßen in der Schweiz, die von wilden Bächen und Flüssen begleitet werden. Meine Augen können sich nicht genug an dem Grün satt sehen das einen krassen Gegensatz bildet zur kargen Hochebene von Ladakh.



Es wird wärmer und am frühen Abend erreichen wir das Hausboot auf das wir uns alle schon lange sehr freuen. Mein Freund Armir wartet mit seinem Vater schon an der Straße auf uns. Der Empfang ist herzlich und jeder spürt die Gastfreundschaft, die ich in muslimischen Ländern so liebe. Beim Betreten der Hausboote riecht man das harzhaltige Pinienholz aus dem das komplette Boot gefertigt ist. Die Inneneinrichtungen stammen mit vielen antiquarischen Möbeln noch aus der Kolonialzeit. Das Beste ist aber die Terrasse, die sich jeweils am Ende eines jeden Bootes befindet. Gleichzeitig aus verschiedenen Richtungen kommt der Gesang der Muezzine über die Seelandschaft geflogen, während sich die Sonne hinter den Bergen zur Ruhe begibt.

So dauert es auch nicht lange bis wir von unseren Gastgebern zu Tisch gebeten werden. Die Tafel ist reich gedeckt es gibt verschiedenes Fleisch, Fisch und Gemüse nach Art des Haus(boote)es. Ein wahres Festessen, denn man schmeckt die liebevolle Zubereitung. Der raffinierte Nachtisch rundet das ganze ab. Raffiniert deshalb, weil die Süßspeise optisch so angelegt ist, dass die meisten Abstand nehmen und ich mich nun über ganz viel Reispudding her machen kann. Es ist angenehm warm und wir sitzen in dieser Nacht noch lange hier draußen und genießen das Bier, das unser Gastgeber immer gut gekühlt in ausreichender Menge vorrätig hat, wenn ich mit meinen durstigen Motorradfahrern komme.

Der Ruhetag wird von unseren Verletzten für einen Krankenhausbesuch genutzt und ich bin mir nicht sicher was für ein Medikament ihnen dort verabreicht wurde. Sie kommen jedenfalls in bester Stimmung von der Klinik zurück und berichten recht amüsiert über die Behandlung der sie sich dort unterzogen haben. Die Anderen verleben einen ganz entspannten Tag und lassen sich auf dem von Lotusblumen und schwimmenden Gärten geschmückten See mit der typischen Shikara umher rudern.

Hier in Srinagar wird die Tour 2018 enden und anstelle dessen noch mehr in den Bergen gefahren werden, denn ab hier wird die Tour zur echten Tortur. Der Rundkurs bis zurück nach Delhi bietet zwar noch ein paar attraktive Etappenziele, wie die Berglandschaft von Patni Top oder der Goldene Tempel in Amritsar, doch es drängt sich hier auf der einzigen Nord-Süd-Verbindung der komplette Lkw-Verkehr durch. Die riesigen und unzähligen Militärkonvois runden das Spektrum ab.



Jedoch fühlen wir uns gut geschützt, denn auf der gesamten Strecke Srinagar - Jammu sind alle 10 bis 20 m schwerbewaffnete Soldaten postiert. Aus den Sandsack Burgen sieht man die Läufe der etwas veralteten Maschinengewehre blitzen. Man erkennt deutlich, dass der nun seit 70 Jahren schwelende Konflikt erst letztes Jahr wieder eskaliert ist. Kernpunkt des Streits sind die Autonomie- und Loslösungsbestrebungen Kaschmirs von Indien, wobei keine Einigkeit darüber herrscht ob man sich dann unter die Hoheit von Pakistan stellen, oder ein ganz freies Kaschmir ausrufen soll. Der Hass wird dadurch geschürt, dass eben diese Bestrebungen von den indischen Regierungstruppen immer wieder brutal niedergeschlagen werden und sich Hindus und Moslems feindlich gegenüberstehen.
Touristen jedoch sind außerhalb des Konflikts und stehen unter dem Schutz beider Seiten.

Wir erreichen Patni Top, ein indisches Skigebiet auf ca. 2000 Metern Höhe. Bevor wir jedoch völlig in Wolken eingehüllt werden, mache ich noch eine Erkundungstour zu Fuß und lasse mich von dieser üppig grünen Kulturlandschaft völlig aufsaugen. Die steilen Wiesen werden von Ziegen und Schafen kurz gehalten, vereinzelte Felsbrocken und riesige Nadelbäume zaubern aus dem Bergrücken einen einzigartigen natürlichen Zengarten. Auf dem Weg zum Hotel, höre ich laut und ziemlich enthemmt, deutsches Liedgut. Arm in Arm torkeln mir meine Biker entgegen. Kingfisher Bier und Old Munk Rum tun ihre Wirkung.

Doch morgens um 8 Uhr sind alle pünktlich zum Start. Es dauert auch nicht lange, bis wir in die riesige ca 20 km lange Baustelle einfahren, in der sich LKWs, Busse, Militär und wir durch richtig viel Matsch ihren, Weg bahnen. Das zweite Drittel der heutigen Strecke mit insgesamt 310 km ist jedoch wieder schön zu fahren, und führt uns durch die Ausläufer des Himalayas immer tiefer in die Ebene des Punjab. Der letzte Teil ist indische Autobahn und nach so vielen Kurven Steigungen oder Offroadpassagen sogar mal ganz angenehm. Kurz vor Amritsar fällt jedoch mein Navi aus und wir haben keinen Kontakt zu unserem Begleitfahrzeug. Den Weg durch den chaotischen Verkehr zu unserem Hotel, finde ich mit ein paar Mal fragen aber trotzdem, Schweiß rinnt uns in Bächen am Leib nieder, die feuchtwarme Luft des Monsun hat uns wieder im Griff.

Der Goldene Tempel in Amritsar stellt das Hauptheiligtum der Sikhs dar, deren männliche Anhänger leicht an den langen Bärten und dem Turban zu erkennen sind. Der Sikhismus ist eine monotheistische Religion, deren Gründer Guru Nanak im 15. Jahrhundert eine Synthese von Hinduismus und Islam gelang. In einer langen Reihe dürfen wir mit der obligatorischen Kopfbedeckung langsam zum Innersten des Heiligtums vorrücken, wo sich die Heilige Schrift der Sikhs im Original befindet. In vielen kriegerischen Auseinandersetzungen bildet der militärische Angriff indischer Regierungstruppen auf den Goldenen Tempel 1984, einen traurigen Höhepunkt. Grund waren die Unabhängigkeitsbestrebungen des Punjab, wie sie derzeit von vielen Volksgemeinschaften überall auf der ganzen Welt anzutreffen sind.

Wir jedoch genießen einfach nur die Pracht aus kühlem Marmor, die Sauberkeit, die Ordnung und die einzigartige Atmosphäre, die dieser besondere Ort ausstrahlt. Am nächsten Tag sitzen wir im weltgrößten Speisesaal des Tempels, in dem 24 Stunden täglich rund 50.000 Menschen mit Essen versorgt werden.

Die letzten zwei Tage müssen noch gut 500 monotone Autobahnkilometer gefressen werden. Da ist die schwarze Wand, die wir auf uns zukommen sehen, eine willkommene Abwechslung. Der ganze Dreck und Staub, den wir mühsam in den Bergen angesammelt haben ist binnen Sekunden abgewaschen. Wir fühlen uns wie die Teller in einer Spülmaschine. Von oben, von unten und von beiden Seiten durch LKWs, werden wir mit warmem Wasser abgeduscht. An Stellen an denen der Verkehr im tiefen Wasser stecken bleibt, versucht man andere Wege über den überfluteten unsichtbaren Untergrund zu finden. Der Monsun fällt dieses Jahr außerordentlich schwer aus, was zu zahlreichen Überschwemmungen und Erdrutschen geführt hat. Aber uns macht es richtig Spaß Teil eines solchen Chaos zu sein, denn solche Erfahrungen, im eigentlichen Sinne des Wortes, werden wir in der westlichen Welt sicher nicht mehr machen können.

Der Tag endet mit Haus gebrautem Weizenbier in Chandighar, das sogar die Bayern aus unserer Gruppe überzeugt. Und es gibt wieder Fleisch in allen Variationen. Nach den rein vegetarischen Tagen im heiligen Amritsar ist dies für manch Einen von uns eine wahre Gaumenfreude.

Der Höhepunkt des allerletzten Tages bestand einfach nur darin zur Hauptverkehrszeit nach Delhi einzufahren. Aber Hut ab vor den Jungs und Mädels, Vätern und Söhnen aus meiner lustigen Gruppe. Alle haben es geschafft, selbst die zwei Verletzten lassen sich diesen Triumph nicht nehmen. Stolz aber auch Erleichterung macht sich breit. 2500km über Stock und Stein, durch heiß und kalt, eine Reise mit 5000 Metern Höhenunterschied, das schweißt zusammen.

Nicht jedes Essen ist bekommen, nicht jede Unterkunft war willkommen, und so manche Etappe hinterließ ihre Spuren auf den Gesichtern eines Jeden. Doch die Freude über das Erlebte, Erfahrene und Geschaffte überwiegt an diesem feuchtwarmen Abend in Delhi. In einem Restaurant mit internationaler Küche und Bier wird die Ankunft und gleichzeitig der Abschied ausgiebig gefeiert. Ich esse mein bis dahin bestes Thai Curry.

Wer nun auch Lust verspürt, ein solches Abenteuer als Teil einer coolen Gruppe zu erfahren, den indischen Verkehr und die schlechten Straßen, die Gefahren und Strapazen einer solchen Reise nicht scheuend, kann sich auf meiner Website www.EnfieldTours.de oder im persönlichen Gespräch mit mir, - alle wichtigen Informationen dazu holen.

Diese Reise ist allerdings nur für geübte und sichere Fahrer/innen mit genügend körperlicher und geistiger Fitness zu empfehlen !!!



Roland Sachse